Zusammenfassung

Der menschliche Fuss besitzt eine Vielzahl von verschiedenen Sesambeinknochen (Os sesamoideum). Die grössten und am häufigsten verletzten sind die beiden Knochen unter der grossen Zehe. Diese Sesambeine weisen selten Stressfrakturen auf und werden oft mit dem häufigeren Problem einer Sesamoiditis in Kombination mit einem angeborenen gespaltenen Sesambein verwechselt. Die Sesambein-Überlastungsfraktur ist in der Regel das Resultat einer Episode von erhöhter, repetitiver Belastung (z.B. eine Verlängerung der gewöhnlichen Laufstrecke). Schmerzen unterhalb der grossen Zehe, welche durch Gehen und Stehen schlimmer werden, sind typisch. Patienten, die unter einer Sesambein-Überlastungsfraktur leiden, weisen häufig ein hohes Fussgewölbe auf. Röntgenaufnahmen können die Diagnose sichern, obwohl zur Abklärung u.U. zusätzlich eine MRT benötigt wird. Nicht dislozierte Sesambein-Überlastungsfrakturen können konservativ (nicht-operativ) behandelt werden, indem der Fuss für 6-8 Wochen nur begrenzt oder überhaupt nicht belastet wird. Dislozierte (verlagerte) oder chronische Überlastungsfrakturen müssen möglicherweise operativ behandelt werden. Dabei wird die Fraktur fixiert oder der betroffene Knochen entfernt.

Klinische Präsentation

Möglicherweise das erste, was bei einer Sesambein-Überlastungsfraktur der grossen Zehe bemerkt wird, ist, dass es sich in vielen Fällen nicht wirklich um Stressfrakturen eines der beiden Sesamknochen handelt. Vielmehr handelt es sich um eine zweiteilige Sesambein-Normvariante mit einer damit verbundenen Sesambeinentzündung (Sesamoiditis). Ein zweigeteiltes Sesambein ist eine Normvariante des normalen Sesambeins, bei welcher der Knochen während der Entwicklung nicht verschmilzt. Sesamoiditis ist ein allgemeiner Ausdruck, der sich auf Schmerzen unterhalb der Grosszehe bezieht, welche durch eine chronische Belastung entstehen (ähnlich wie bei einer Metatarsalgie). Deformitäten der Grosszehe, welche zur Folge haben, dass die Sesambeine abnormal zu liegen kommen (z.B. Hallux valgus), können ebenfalls ursächlich für eine Sesambeinentzündung sein.

Dennoch können Sesambein-Stressfrakturen auftreten und ähnlich wie bei einer Sesamoiditis chronische Schmerzen unter der Basis der Grosszehe verursachen. Untersuchungen haben gezeigt, dass Sesambein-Überlastungsfrakturen durch eine chronische Belastung verursacht werden. Diese Belastung kann durch Stehen, Gehen oder Laufen entstehen, insbesondere beim Tragen von Schuhen, die keinen ausreichenden Schutz bieten. Patienten mit einer schmerzhaften Stressfraktur, hinken deutlich. Die Beschwerden nehmen möglicherweise mit der Zeit ab, treten aber wieder auf, sobald der Patient repetitiv belastende Aktivitäten betreibt (z.B. Laufsport). Die Schmerzen treten oft sehr lokal auf und können mit dem beteiligten Sesambein in Verbindung gebracht werden. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Überlastungsfrakturen nach einem intensiven Lauftraining oder einer anderen Art von Aktivität auftreten, welche mit einer erhöhten repetitiven Belastung einhergehen (z.B. wenn das individuelle Trainingsniveau merklich gesteigert wurde).

Untersuchung

Patienten mit einer Sesambein-Überlastungsfraktur reagieren empfindlich auf Druck, welcher auf das Sesambein ausgeübt wird. Das Bewegen der grossen Zehe kann die Beschwerden verschlimmern. Die Schmerzen sind normalerweise auf den Bereich unterhalb der Grosszehe beschränkt. Oftmals weisen Patienten ein hohes Fussgewölbe auf, da diese Fussform tendenziell zu einer stärkeren Belastung an der Basis der Grosszehe führt.

Bildgebung

Typischerweise ist auf einem Röntgenbild das fragmentierte Sesambein klar zu sehen. Der Unterschied zwischen einer Überlastungsfraktur und einem zweigeteilten Sesambeins ist, dass die Knochenfragmente eines zweigeteilten Sesambeins einen klar erkennbaren Rand aufweisen. Dies, weil das angeborene zweigeteilte Sesambein seit der Entwicklung vorhanden ist, während eine Sesambein-Überlastungsfraktur auf dem Röntgenbild wie eine Fraktur aussieht.

Eine MRT kann dabei helfen, ein zweiteiliges Sesambein von einer Sesambein-Überlastungsfraktur zu unterscheiden. Des Weiteren kann damit eine akute Sesambeinfraktur von einer chronischen Stressfraktur abgegrenzt werden. Zusätzlich kann es avaskuläre (tote) Knochenbereiche identifizieren, welche durch den Bruch entstanden sind. Das Sesambein wird nur spärlich mit Blut versorgt und eine chronische Belastungsfraktur oder ein zweigeteiltes Sesambein kann zu einer Reduktion der Blutversorgung führen.

Behandlung

Nicht-operative Behandlung

Die Therapie spricht bei einer korrekten Diagnosestellung besser an. Insbesondere ist es wichtig zu bestimmen, ob die Beschwerden von einer Sesambein-Überlastungsfraktur oder einem zweigeteilten Sesambein, mit zusätzlicher Sesambeinentzündung stammen. Die allgemeinen, nicht-operativen Behandlungsansätze sind ähnlich. Obwohl eine echte Sesambein Überlastungsfraktur tendenzielle eine schlechtere Prognose aufweist.

Häufiger ist eine chronische Stressfraktur vorhanden, die konservativ (nicht-operativ) wie eine Sesambeinentzündung behandelt wird. Dabei gilt es den Bereich unter der Basis der Grosszehe zu schützen. Eine Orthese kann verwendet werden, um diesen Bereich zu entlasten. Typischerweise wird eine Orthese mit einer Vertiefung unter der Basis des ersten Mittelfussknochens verwendet. Oftmals werden zusätzlich eine gepolsterte Einlage und eine steife Sohle mit einer leichten Kontur eingesetzt. Eine steife Sohle mit einer Abrollrampe ermöglicht eine gleichmässige Verteilung der Kräfte von der Basis der grossen Zehe weg. Darüber hinaus sollten die Aktivitäten angepasst werden, um eine übermässige Belastung dieses Bereichs zu vermeiden.

Chirurgische Behandlung

Das Resultat der chirurgischen Behandlung ist nicht vorhersehbar. Die Behandlung umfasst die Reparatur des Bruches bzw. die Resektion eines Teils oder des gesamten gebrochenen Sesambeins. Letzteres erfolgt in Kombination mit einer Reparatur der zugehörigen Gelenkkapsel. Eines der Hauptprobleme, sowohl der operativen wie auch der nicht-operativen Behandlung, ist, dass die zugrunde liegende Fussform (oft hochgewölbt), welche zur Entstehung der Erkrankung mit beiträgt, nicht behandelt wird. Daraus resultierend wird der Bereich unterhalb der Basis der grossen Zehen während des Stehens und des Gehens konstanter und repetitiver Belastung ausgesetzt.

Mögliche Komplikationen der Operation

Mögliche allgemeine Komplikationen einer operativen Therapie sind u.a.:

  • Infektionen
  • Wundheilungsstörungen
  • Blutgerinnsel (TVT und LE)

Zu den spezifischen Komplikationen der operativen Therapie des Sesambeins gehören:

  • Reizung des Nervs, welcher zur Innenseite der Grosszehe läuft.
  • Persistierende Symptomatik, da die Belastung in diesem Bereich weiterbesteht.
  • Deformitäten der Grosszehe (Hallux valgus, Hallux varus, hochstehende Grosszehe)

Falls ein Sesambein der Grosszehe ohne adäquate Reparatur oder Rekonstruktion der plantaren Kapsel und des M. flexor hallucis brevis reseziert wird, kann sich eine sekundäre Deformität entwickeln. Die Resektion des medialen Sesambeins kann zu einem Hallux valgus und die des lateralen Sesambeins zu einem Hallux varus (mediale Deviation der Grosszehe) führen. Eine „Cock-up-Deformität“ der Grosszehe kann auftreten, falls beide Sesambeine reseziert werden und die Kapsel nicht adäquat repariert wird. In diesem Fall kann sich die Grosszehe nach oben aus der normalen Position heben, was eine störende Deformität zu Folge hat.