Zusammenfassung

Waden- (Gastrocnemius-) Muskelzerrungen treten normalerweise bei Hobbysportlern mittleren Alters, während Aktivitäten, welche eine plötzliche Richtungsänderung benötigen (z.B. Basketball, Tennis etc.), auf. Dies belastet den Wadenmuskel mit maximaler Zugspannung. Wadenmuskelzerrungen haben ähnliche Symptome und treten bei den gleichen Mechanismen auf wie ein Achillessehnenriss. Der Unterschied ist der Ort der Verletzung, da die Achillessehne unter dem Wadenmuskel verläuft um ihn mit der Ferse zu verbinden (Abbildung 1). Bei einem Achillessehnenriss treten eher Schmerzen an der Rückseite der Ferse als in der unteren Wadenregion auf. Aufgrund der Ähnlichkeiten muss ein Achillessehnenriss bei der Diagnose ausgeschlossen werden. Wadenmuskelzerrungen ereignen sich dort, wo der Muskel an die Faszie (Verbindung des Muskels zur Sehne) anheftet, meistens auf der Innenseite (medial) der Wade, da diese Region der grössten Zugspannung ausgesetzt ist. Die Behandlung ist konservativ (nicht-operativ). In den meisten Fällen beinhaltet  die Versorgung eine Verminderung von muskelbelastenden Aktivitäten, das Tragen einer Unterschenkel Gehorthese (steife Unterschenkelstütze) und einen kurzzeitigen Krückengebrauch, bevor mit Physiotherapie, mit dem Ziel der Wiedererlangung des vollen Bewegungsumfangs und der Muskelkraft, begonnen werden kann. Eine wesentliche Verbesserung kann innert der ersten zwei Wochen erwartet werden, aber bis zur vollständige Erholung können 6-8 Wochen vergehen. Die Rückgewinnung verlorener Muskelmasse der Wadenmuskulatur kann einige Monate dauern.

Abbildung 1: Typische Lokalisation einer Wadenzerrung vs eines Achillessehnenriss

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Klinische Präsentation

Waden- (Gastrocnemius-) Muskelzerrungen ereignen sich typischerweise bei moderat aktiven Menschen mittleren Alters während sie Aktivitäten nachgehen, welche maximalen Zug auf den Gastrocnemiusmuskel ausüben. „Wochenendkämpfer“, bei welchen meist die Flexibilität der Muskeln verloren gegangen ist, haben ein erhöhtes Risiko für einen partiellen oder kompletten Muskelriss. Wenn jedoch die Muskelkraft grösser ist als die –elastitizität, so können auch durchtrainierte Sportler eine Wadenmuskelzerrung erleiden. Der Verletzungsmechanismus ist sehr ähnlich wie der des Achillessehnenrisses, welcher bei der Diagnose ausgeschlossen werden muss. Wadenmuskelzerrungen treten bei der Anlagerung des Muskels an die Faszie (Muskel-Sehnenverbindung), welche zur Achillessehne führt, auf. Patienten mit einer Gastrocnemiusmuskelzerrung beschreiben oft einen plötzlichen, scharfen Schmerz in der tieferen Wadenregion. Symptome sind normalerweise durch plötzliche Richtungswechsel ausgelöst, welche in manchen Sportarten (z.B. Basketball, Tennis etc.) üblich sind. Sofort nach der Zerrung beginnen die Patienten zu hinken. Blaue Flecken erscheinen oft innert 24-36 Stunden nach der Verletzung. Typischerweise ereignet sich die Zerrung auf der Innenseite (medial) des Wadenmuskels, da dieser Bereich der grössten Spannung ausgesetzt ist.

Körperliche Untersuchung

Bei der körperlichen Untersuchung der Wadenmuskelzerrung wird eine akute Druckschmerzhaftigkeit der gesamten Innenseite des Wadenmuskels (medialer Gastrocnemiusmuskel) beobachtet. Der tiefere Bereich der Wade ist markant druckempfindlicher. Abhängig vom Ausmass der Schwellung kann eine Verletzung tastbar sein. Der Thompson Drucktest ist negativ für einen Achillessehnenriss, auch wenn das Zusammendrücken der Wade schmerzhaft ist, so löst es doch einen Fussreflex (Plantarflexion) aus, was auf eine intakte Achillessehne hindeutet. Passives Aufwärtsbewegen des Knöchels (Dorsiflexion des Sprunggelenks) produziert moderat-schwere Schmerzen (aufgrund der Dehnung gerissener Muskelfasern). Ähnliche Schmerzen mit zusätzlich aktivem Widerstand werden beim passiven Abwärtsbewegen (Plantarflexion des Sprunggelenks) beobachtet (da gerissene Muskelfasern kontrahiert werden). Patienten haben Schmerzen und Schwierigkeiten um einen Zehenstand zu vollziehen (aufgrund der Dehnung und Kontraktion der gerissenen Muskelfasern). Zu Beginn der Verletzung tendieren sie auch zum Hinken.

Bildgebung

Konventionelle Röntgenbilder sind negativ, da die Verletzung die Knochen nicht involviert. Wenn eine Achillessehnenbeteiligung fraglich ist, sollte ein MRI veranlasst werden. Ein MRI ermöglicht die Beurteilung der Weichteile und die Unterscheidung eines Achillessehnenrisses und einer Wadenmuskelzerrung.

Behandlung

Die Behandlung der Gastrocnemiusmuskelzerrung ist in der Regel nicht-operativ (konservativ) und von den individuellen Symptomen abhängig.  Eine Einschränkung der Aktivitäten oder der kurzzeitige Gebrauch von Krücken (1-2 Wochen nach der Verletzung) ist meist erforderlich. Eine Gehschiene hilft bei der Schonung des verletzten Bereichs. Eine bedeutsame Verbesserung kann bereits nach den ersten zwei Wochen erwartet werden, aber die vollständige Heilung kann sechs bis acht Wochen dauern- und es kann einige weitere Monate dauern bis die verlorene Muskelmasse der Wade wiedergewonnen ist. Gelegentlich findet eine starke Vernarbung im Bereich der Zerrung statt. Dies kann Schmerzen verursachen oder den Muskel anfälliger für erneute Zerrungen machen, da die Narbe Kräfte anders absorbiert als normales gesundes Muskelgewebe.

Initiale (Akutphasen) Behandlung

Sofort nach der Verletzung (24-72 Stunden) sollte in der Behandlung inbegriffen sein:

  • Relative Ruhe. Die verletzte Wade wenig belasten, indem Stehen und gehen limitiert wird und gegebenenfalls Krücken benutzt werden.
  • Eis auf die verletzte Stelle (wiederholter Zyklus von: 10 Minuten Kühlen mit Eis, 10 Minuten ohne Eis)
  • Anheben des Beines auf oder leicht über die Höhe des Herzens. Z.B. im Liegen auf dem Bett sollte das Bein auf ein paar Kissen gelegt, erhöht sein.
  • Frühe Belastung nur sofern vom Patienten toleriert. Patienten empfinden das Gehen zu Beginn meist angenehmer mithilfe von Krücken.
  • Immobilisieren des Fusses und des Unterschenkels um mehr Komfort zu ermöglichen. Dies kann in einer Gehschiene oder Ähnlichem vollzogen werden.
  • Aktive Übungen für die Fuss- und Sprunggelenksbeweglichkeit können getätigt werden sofern eine schmerzfreie Beweglichkeit („range of motion“, ROM) vorhanden ist.
  • Schienung mit dem Sprunggelenk in Neutralposition. Studien haben gezeigt, dass eine beschleunigte Heilung auftritt, wenn das Sprunggelenk in einer maximal möglichen Dorsiflexion (Fuss im rechten Winkel zum Unterschenkel) geschient wird.

Erholungsphase

Sobald der Patient schmerzfrei ist, sollte er von „Plantarflexions-Übungen gegen Widerstand“ schrittweise zum Training auf Fahrrad Hometrainern, Beinpresse und Zehenstand wechseln. Massagetechniken können bei der Entfernung von interstitieller (die zwischen Körperzellen liegende) Flüssigkeit und dem Auflösen des Narbengewebes helfen.

Erhaltungsphase

Wenn eine schmerzfreie volle Beweglichkeit und normale Kraft wiedererlangt sind, können sportspezifische Aktivitäten wiederaufgenommen werden. Die Wadenkräftigung und das Wadendehnen sollte mehrere Monate fortgesetzt werden. Das Ziel der Rehabilitation ist es, das erhöhte Risiko der erneuten Verletzung, aufgrund des Narbengewebes (Teil des Heilungsprozesses) und des Muskelverlusts durch Inaktivität, zu überwinden.