Zusammenfassung

Obwohl die Rheumatoide Arthritis (RA) jeden Teil des Fusses oder des Sprunggelenks betreffen kann, einschliesslich des Rückfusses und des Mittelfusses, ist der Vorfuss einer der am häufigsten betroffenen Bereiche. Vorfussdeformitäten und Erkrankungen des rheumatoiden Kreislaufs können sich in unterschiedlichster Weise, Schweregrad und Chronizität präsentieren. Trotz dieses grossen Spektrums an Erkrankungsbildern liegt jedoch oft eine klassische Vorfussdeformität vor, die alle Zehen (-strahlen) betrifft und im Folgenden beschrieben wird. Viele neue medikamentöse Therapien sind in Entwicklung, um die RA zu behandeln. Einige davon sind äusserst vielversprechend, insbesondere für die Verbesserung der Lebensqualität. Aber selbst wenn die Krankheit unter Kontrolle gebracht wird, haben die Patienten möglicherweise immer noch Schwierigkeiten im Zusammenhang mit einer eventuellen residualen Arthritis und der daraus resultierenden Deformitäten.

Klinische Präsentation

Zahlreiche Fehlstellungen werden mit der RA in Verbindung gebracht. Jedes Gelenk des Vorfusses kann beeinträchtigt sein. Dies beinhaltet die Metatarsophalangealgelenke (MTP Gelenke an der Zehenbasis) der Strahlen I-V (grosse Zehe bis zur kleinen Zehe) sowie die Interphalangealgelenke (IP-Gelenke) innerhalb der Zehen selbst. Die Deformitäten entstehen durch eine Anhäufung von zellulären und entzündlichen Mediatoren, die ein Nebenprodukt des rheumatoiden Krankheitsprozesses innerhalb und um jedes der betroffenen Gelenke herum sind. Obwohl nicht immer vorhergesagt werden kann, dass bei Patienten ein bestimmtes oder mehrere Gelenke betroffen sind, befällt es in der Regel mehrere Gelenke zur gleichen Zeit. Wenn der Vorfuss betroffen ist, verursacht die RA üblicherweise eine allmähliche Zerstörung, Arthrose und eine Schwächung der Gelenkskapsel der MTP-Gelenke aller fünf Zehen. Dieser arthritische und “auflösende“ Prozess kann sowohl den Knochen als auch die Weichteile, welche die betroffenen Gelenke umgeben, betreffen, so dass sich die Fehlbildung in jeder Ebene aufgrund der daraus resultierenden Instabilität und Unregelmässigkeit ausbreiten kann. Klassischerweise äussern sich die Symptome durch eine langsam fortschreitende Schwellung im Bereich des Vorfusses, Beschwerden in allen Gelenken und Deformitäten. Häufige Deformitäten sind:

  • Ein Hallux valgus mit einer Arthritis des ersten MTP-Gelenkes
  • Krallenzehen aller kleinen Zehen
  • Subluxation oder Dislokation der kleineren MTP Gelenke. Dies kann dazu führen, dass die betroffenen Zehen zurückgezogen und vom Boden gehoben werden, so dass sie nicht mehr mit der Schuhsole in Kontakt stehen, sondern gegen die Oberseite des Schuhs scheuern.

Patienten mit einer Krallenzehen-Deformität, die in einer Dislokation resultiert, beklagen sich oft darüber, dass es sich aufgrund der retrahierten Polsterung unter diesen Zehen so anfühlt, als ob sie auf einem Kieselstein gehen würden. Die retrahierte Polsterung bewirkt, dass die knöchernen Mittelfussköpfe an der Fusssohle hervortreten. Zusätzlich ziehen die Zehen oft nicht nur nach oben, sondern verdrehen, was zur Folge hat, dass sie sich überkreuzen. Diese Reibung kann äusserst irritierend sein und zu Hautulzerationen oder Infektionen führen, falls sie nicht sorgfältig kontrolliert und behandelt wird. Solche Deformitäten und die damit verbundenen Schmerzen sind normalerweise bei der körperlichen Untersuchung leicht zu erkennen. Damit assoziierte Nageldeformitäten sind ebenfalls nicht selten und die Symptome treten oftmals beidseitig auf.

Bildgebung

Obwohl eine Diagnose der RA oft klinisch gestellt werden kann, sind Röntgenaufnahmen hilfreich, um das Ausmass der Pathologie zu bestätigen. Bei fortgeschrittenem Krankheitsstadium sind relativ spezifische radiologische Befunde vorhanden. Bei der klassischen RA sind die Knochen weniger fest (Osteopenie). Darüber hinaus kommt es zu einem symmetrischen Knochenverlust an den Stellen, an denen sich die Gelenkkapseln an die MP-Gelenke im Vorfussbereich anlagern (periartikuläre Erosionen). Der Verlust des Gelenkspaltes auf dem Röntgenbild kann gering ausgeprägt sein, aber in schwereren Fällen kann es zu einer bemerkenswerten Zerstörung der gesamten Mittelfussköpfe kommen. In der Regel sind beide Seiten der MTP-Verbindungen betroffen. Die Erkrankung kann auch die anderen Zehengelenke (IP-Gelenke) deformieren.

Behandlung

Nicht-operative Behandlung

Ziel der nicht-operativen Behandlung ist es, den deformierten und/oder erkrankten Bereich des Vorfusses so „komfortabel“ und „schuhfähig“ wie möglich zu machen, sowie das Risiko für Infektionen und Ulzerationen gering zu halten. Die nicht-operative Behandlung der RA des Vorfusses kann u.a. folgendes beinhalten:

  • Komfortschuhe: Schuhe, die sich durch eine breite Zehenbox auszeichnen, können äusserst hilfreich in der Behandlung der mit der RA assoziierten Schmerzsymptomatik sein (Irritation durch Reibung).
  • Einlagen, die freikäuflich sind oder nach Mass angefertigt wurden, können ebenfalls verwendet werden, um den Bereich über einem Knochenvorsprung zu entlasten.
  • Hühneraugenpflaster, Silikonkappen oder eine andere Polsterung: Diese können auch zum Schutz vor Knochenvorsprüngen verwendet werden. Es existieren Orthesen, welche dabei helfen, die Ausrichtung der Krallenzehen zu verbessern.
  • Eine Änderung der Bewegungsgewohnheit kann bei der Behandlung der rheumatoiden Schmerzen im Vorfussbereich hilfreich sein.
  • Physiotherapie: In einigen Fällen wird Physiotherapie oder Dehnen empfohlen, damit die Beweglichkeit der Gelenke erhalten bleibt.
  • Optimierung der medikamentösen Behandlung der RA. Es liegt auf der Hand, dass die Behandlungsoptimierung durch unterschiedliche medikamentöse Ansätzen, einen grossen Beitrag zur Aufrechterhaltung des Patientenwohls und der Krankheitskontrolle leistet. Des Weiteren kann dies unter Umständen eine chirurgische Intervention verhindern. Es ist unerlässlich, dass die RA selbst, mit der Hilfe eines Rheumatologen und/oder eines Hausarztes, behandelt wird, um das Risiko einer Progression, welche zu einer weiteren Schädigung und Deformierung führen kann, möglichst klein zu halten.

Operative Behandlung

Die operative Behandlung des rheumatoiden Vorfusses muss auf die Leitbeschwerden, sowie auf die Risikobereiche im Vorfuss ausgerichtet sein. Zu den operativen Behandlungsmöglichkeiten gehören:

  • Krallenzehen-Korrektur: Bei milden bis moderaten Deformitäten können Verfahren, welche die Krallenzehen begradigen und den Bodenkontakt der Zehen wiederherstellen, sehr lohnenswert sein. Wenn ein Gelenk noch nicht disloziert ist und einigermassen gut erhaltene Knorpel aufweist, wird es vorgezogen, das MTP-Gelenk zu erhalten, indem die Subluxation des Gelenkes reduziert und die Krallenzehe korrigiert wird.

Bei mittleren bis schweren Vorfussdeformitäten unterscheiden sich die Operationsverfahren jedoch und werden etwas komplizierter. Falls möglich, ist in diesen Fällen eine operative Versteifung sinnvoll und kann Folgendes beinhalten:

  • Versteifung der Grossen Zehe: Bei einer Ballenzeh-Deformität der grossen (I) Zehe ist es üblich, dass das grosse MTP-Gelenk begradigt und fusioniert wird. Dies im Gegensatz zu einer einfachen Neuausrichtung, wie sie bei einer viel milderen MTP -Deformität durchgeführt werden kann. Dieses Verfahren lindert die Grosszehen-Schmerzen erheblich und ist sehr beständig bzw. gut verträglich.
  • Unterschiedliche Formen von I MTP-Gelenksprothesen: Diese Implantate haben sich über die Zeit nicht bewährt und sich in stärker ausgeprägten Fällen als nicht so beständig oder zuverlässig wie die Versteifung der Grosszehe erwiesen.
  • Verfahren bei den kleineren Zehen: Die verschiedenen Deformitäten der kleineren Zehen, verursacht durch RA im Vorfuss, können auf unterschiedliche Weise behandelt werden. Wenn sich die Krankheit noch in einem Frühstadium befindet und nur eine geringe Deformität oder arthritische Veränderung vorhanden ist, kann eine einfache Neuausrichtung der MTP- und -IP Gelenke durch eine offene Reposition, eine Verkürzungsosteotomie der Mittelfussknochen oder eine Korrektur der Hammerzehen in Betracht gezogen werden. Diese Operation kann ein gutes funktionelles Ergebnis liefern, solange sich die Gelenke noch in einem einigermassen guten Zustand befinden und dies auch bleiben.
  • Clayton-Hofmann-Verfahren: Bei schwerer RA, können die MP-Gelenke an der Basis der Zehe möglicherweise zu arthritisch oder zu disloziert sein, um sie erhalten zu können. In dieser Situation kann es notwendig sein, ein standardisiertes Clayton-Hoffmann-Verfahren durchzuführen, welches eine Resektion aller vier kleineren Mittelfussköpfen (Strahlen II-V) und einer entsprechenden Korrektur der Krallenzehe selbst beinhaltet. Dies kann äusserst effektiv bei der Schmerzlinderung eines mässig bis stark deformierten/arthritischen Vorfusses sein. Während es zwar die Schmerzen lindert, behandelt es jedoch nicht die Dysfunktion des Fusses und sollte daher als zwar eine effektive, aber nichtsdestotrotz, als eine „Salvage“-Therapie (letzte Massnahme) betrachtet werden. Bei dieser Operation bilden die Zehen nicht mehr länger ein Gelenk und schränken somit die Aktivitäten der Patienten ein. Die Zehen sind viel steifer und gerader aber Patienten berichten von einem Gefühl, als ob diese „nur im Raum schweben“ würden. Ausserdem wird über eine Verminderung der Abstosskraft in diesem Fuss geklagt, obwohl die Schmerzen im Vergleich zum präoperativ Zustand deutlich weniger stark ausgeprägt sind. Trotz dieser Einschränkungen würden jedoch fast alle Patienten, falls die Erkrankung fortgeschritten genug wäre um das Verfahren überhaupt zu rechtfertigen, die Operation abermals durchführen lassen, wenn sie die Entscheidung erneut treffen müssten.

Die Behandlung jedes Fusses und jeder Zehe muss in jedem Fall individuell auf den Patienten abgestimmt werden, wobei die Leitbeschwerden, die relativen Komorbiditäten und das mögliche bzw. vermutete Fortschreiten der Erkrankung, im Hinterkopf behalten werden müssen. Aufgrund der symmetrischen und diffusen Natur der RA, beinhaltet die operative Behandlung typischerweise die gleichzeitige Behandlung aller fünf Strahlen. Für die meisten Patienten stellt dies eher die Regel als die Ausnahme dar.

Heilung

Obwohl verschiedene Genesungsempfehlungen bei jedem Verfahren mitgegeben werden, wird in den meisten Fällen eine Belastung in den ersten paar Wochen postoperativ vermieden. Dies ermöglicht eine adäquate Heilung des Weichgewebes. Nachdem die Hautnähte entfernt worden sind, wird eine eingeschränkte aber schrittweise zunehmende Belastung empfohlen. Nach den ersten sechs Wochen ist eine allmähliche Steigerung der Aktivität in Verbindung mit einem progressiven Physiotherapieprogramm erlaubt. Nachdem die ursprüngliche Schiene/Fixierung nach ein paar Wochen postoperativ entfernt worden ist, wird der Patient mit einer anderen Form von Fixierung ausgestattet. Diese besteht aus einem speziellen Schuh, einer Unterschenkel-Orthese oder einer anderen Form von Schienung. Üblicherweise verbessert sich die Funktion, sobald die Schwellung und die Beschwerden nachlassen. Obwohl die Genesung in der Regel 6-12 Wochen dauert, kann auch je nach Art der Operation ein ganzes Jahr für eine komplette Heilung benötigt werden. Bei Fehlen von Komplikationen kann der Wechsel zu normalem Schuhwerk typischerweise nach 8-16 Wochen erfolgen. Trotz der Komplexität und der Dauer der Heilung, ist die überwiegende Mehrheit der Patienten mit dem Resultat äusserst zufrieden. Schmerzlinderung, Ausrichtung der Gelenke und die Fähigkeit Schuhe tragen zu können, wird in der Regel stark verbessert und die Patienten akzeptiere deshalb die anderen unvermeidlichen Einschränkungen, welche bei einer solchen Operation des Fusses mit einhergehen.

Komplikationen

Häufige operative Komplikationen sind vergleichbar mit denen anderer orthopädischen Eingriffe und beinhalten:

  • Wundheilungsstörungen: Wundheilungsstörungen des Weichteilgewebes und der Haut an der Inzisionsstelle sind bei RA-Patienten häufiger.
  • Tiefe Venenthrombose (TVT)
  • Lungenembolie (LE)
  • Pseudoarthrose („non-union“)
  • Konsolidierung in einer Fehlstellung („malunion“)
  • Gefässverletzung: Eine Verschlechterung der Blutversorgung einer oder mehrerer Zehen ist ungewöhnlich, kann jedoch auftreten.
  • Nervenverletzungen können eventuell zu Taubheitsgefühl in einer oder mehrerer Zehen führen.
  • Rezidiv der Deformität

Es ist wichtig sich darüber im Klaren zu sein, dass gewisse Antirheumatika 2-6 Wochen vor der Operation abgesetzt werden. Einige Medikamente sind dafür bekannt, das Risiko für Infektionen und Wundheilungsstörungen zu erhöhen.
Glücklicherweise sind solche Komplikationen in erfahrenen Händen und bei Patienten, welche kooperativ und sonst einigermassen gesund sind, recht selten!