Zusammenfassung

Ein zusätzliches Kahnbein ist ein häufiger Befund bei Röntgenaufnahmen von Füssen. Die meisten verursachen keine Beschwerden. Bei einigen Patienten verursacht der hervorstehende Knochen an der Innenseite des Fusses jedoch ein Gefühl von Unbehagen, was zu Schwierigkeiten beim Anziehen von Schuhen führen kann. Alternativ kann die faserige Verbindung zwischen dem Kahnbein und dem zusätzlichen Knochen gereizt werden und Beschwerden verursachen. Die Diagnose wird durch eine Untersuchung und eine Röntgenaufnahmen des Fusses gestellt. Die Behandlung erfolgt in der Regel nicht-operativ (konservativ). Oftmals beinhaltet sie eine Veränderung des Schuhwerks, Einlagen und eine Aktivitäsmodifikation. Patienten, die nach einer nicht-operativen Behandlung weiterhin unter anhaltenden Beschwerden leiden, sollten jedoch eine Operation in Betracht ziehen, wobei das hervorstehende Kahnbein entfernt und gegebenenfalls die hintere Schienbeinsehne wieder angebracht wird.

Abbildung 1: Normales Strahlbein im Vergleich zu einem zusätzlichen Kahnbein.

Klinische Präsentation

Viele Menschen haben zusätzliche Kahnbeine (Abbildung 1) – ein markanter zusätzlicher Knochen, der sich vom Kahnbein aus erstreckt. Die meisten verursachen keine Beschwerden. Einige Menschen leiden jedoch unter Schmerzen an der Innenseite ihres Mittelfusses. Diese Schmerzen können durch den Druck des Schuhwerks gegen die Protuberanz entstehen und entweder den Knochen selbst oder die Faserverbindung reizen, mit welcher der zusätzliche Knochen mit dem normalen Kahnbein verbunden ist. Alternativ kann die faserige Verbindung oder die Grenzfläche durch die Spannung der hinteren Schienbeinsehne durch ihre Verbindung oder Insertion an dieser Stelle zu Schmerzen führen. Häufig haben Patienten jahrelang keine Symptome, aber ein neues Paar Schuhe oder eine Veränderung des Aktivitätsniveaus kann die Beschwerden auslösen. Das zusätzliche Kahnbein selbst entwickelt sich typischerweise in der Adoleszenz, wenn die beiden Bereiche des Kahnbeins nicht zusammenwachsen. Bei der Untersuchung eines Fusses mit einem symptomatischen zusätzlichen Kahnbein wird oft ein knöcherner Vorsprung an der Innenseite des Fusses, knapp unter und vor dem inneren Sprunggelenk (medialer Knöchel) festgestellt. Die Grösse dieser Erhebung kann stark variieren. Das Ausüben von Druck auf diesen Bereich verursacht oft Beschwerden. Oftmals wird zusätzlich ein Plattfuss diagnostiziert. Belastung auf die hintere Schienbeinsehne durch das Anheben der Ferse oder durch das Bewegen des Fusses nach innen gegen Widerstand kann die Symptomatik verschlimmern, da diese Manöver die hintere Schienbeinsehne belasten, die an der Innenseite des zusätzlichen Kahnbeins befestigt ist. Aufgrund der Schmerzen kann teilweise ein leichtes humpeln beobachtet werden.

Bildgebung

Mit Hilfe von Röntgenaufnahmen wird die Grösse des zusätzlichen Kahnbeins bestimmt. Es gibt drei Haupttypen: einen kleinen Knochen, der in die nahe gelegene hintere Schienbeinsehne eingebettet ist; einen dreieckigen Knochen, der durch dicken Knorpel mit dem Kahnbein verbunden ist; und eine grosse, markante Kahnbein-Tuberositas, die ein zusätzliches Kahnbein darstellen soll, das mit dem Kahnbein verbunden ist. Wenn der Zustand der hinteren Schienbeinsehne beurteilt werden muss oder falls andere Pathologien vermutet werden (z.B. eine Stressfraktur des os naviculare), kann es notwendig sein, eine MRT durchzuführen. Obwohl dies nicht routinemässig durchgeführt wird, kann eine MRT dabei helfen, den Grad der Irritation zu identifizieren. Eine MRT würde Flüssigkeit oder ein Ödem nachweisen, das sich durch die Reizung im Knochen ansammeln kann.

Behandlung

Nicht-operative Behandlung

Viele Menschen die unter einem symptomatischen zusätzlichen Kahnbein leiden, können ohne Operation erfolgreich behandelt werden. Die standardmässige nicht-operative Behandlung umfasst:

  • Geeignete bequeme Schuhe: Es wird empfohlen, entweder Schuhe mit viel Polsterung und Platz im Knöchelbereich zu kaufen oder gebrauchte Schuhe von einem Schuhmacher modifizieren zu lassen, um zusätzlichen Platz an der Innenseite des Knöchels zu schaffen. So erweitern beispielsweise viele Patienten ihre Skischuhe im Bereich der Erhebung, um die Reizungen zu minimieren. Darüber hinaus hilft ein Schuh mit einer steifen Sohle, die Kraft beim Gehen vom Fussgewölbe wegzuleiten und so die Kraft, welche auf die hintere Schienbeinsehne wird, so gering wie möglich zu halten. Eine handelsübliche Einlage kann helfen, die Belastung durch die hintere Schienbeinsehne zu verringern. Falls erforderlich, kann eine Knöchelschiene angebracht werden, die das Fussgewölbe noch stärker unterstützt.
  • Anwendung von lokalen Polstern: Regelmässiges Anbringen von Schaumstoff oder Gelpolstern kann dabei helfen, die Beschwerden zu lindern. Beides kann in vielen Apotheken erworben werden.
  • Änderung des Aktivitätsniveaus: Falls sich die Symptome durch einen Anstieg des Aktivitätsniveaus verschlimmert haben, kann es hilfreich sein, kurzfristig das Niveau zu reduzieren. Der Fuss wird während dem Gehen wiederholt belastet. Deshalb hilft das Verringern dieser Kraft oft, die Beschwerden zu beruhigen. Nach dem Abklingen der Symptome kann das Aktivitätsniveau dann schrittweise erhöht werden.
  • Gewichtsabnahme: Übergewicht erhöht die Belastung auf die hintere Schienbeinsehne. Wenn ein Patient mit einem symptomatischen Kahnbein übergewichtig ist, kann eine Abnahme von Gewicht sich äusserst vorteilhaft auswirken.

Operative Behandlung

  • Modifiziertes Kidner-Verfahren (Resektion des hervorstehenden zusätzlichen Kahnbeins): Das Kidner-Verfahren beinhaltet die Resektion des zusätzlichen Knochens und die Sicherstellung, dass die hintere Schienbeinsehne noch am Knochen befestigt ist. Oftmals kann der hervorstehende Knochen einfach aus seiner Position herausgelöst werden, wodurch die Sehne intakt bleibt. Wenn die Sehne jedoch locker und schlaff ist, nachdem der zusätzliche Knochen entfernt wurde, ist es erforderlich, dass diese am verbleibenden Kahnbein angenäht wird.
  • Kidner-Verfahren: Beim ursprünglichen Kidner-Verfahren wurde die gesamte hintere Schienbeinsehne aus dem Kahnbein gelöst und dann durch ein durch das Kahnbein geführtes Bohrloch umgeleitet. Das ursprüngliche Kidner-Verfahren wird heute nur noch selten als Therapie eines isolierten zusätzlichen Kahnbeins durchgeführt. Stattdessen wird eine Modifikation des Kidner-Verfahrens häufiger durchgeführt. Das modifizierte Kidner-Verfahren besteht darin, den zusätzlichen Knochen vorsichtig zu entfernen und die hintere Schienbeinsehne an der Oberfläche des Kahnbeins zu verankern. Die Reparatur kann durch das Einbringen einer Naht durch die Sehne und anschliessend durch eine Bohrung im Kahnbein oder durch Verwendung eines Nahtankers erfolgen.
  • Fusion des Zusätzlichen Knochens mit dem Kahnbein: Die Verschmelzung des zusätzlichen Kahnbeins mit Schrauben wird durchgeführt, falls es sich um ein grosses Knochenstück handelt und die Entfernung dieses Knochens die Gelenkoberfläche des Kahnbein auf den Talus (coxa pedis) reduzieren würde. Die Fusion lindert die Schmerzen, ohne die Tibialis posterior Sehne zu beschädigen.

Wenn die nicht operative Behandlung die Symptome des Patienten nicht lindert, kann ein chirurgischer Eingriff erforderlich sein. Die standardmässige operative Behandlung bei einem zusätzlichen Kahnbein ist das Kidner-Verfahren. Falls eine Operation durchgeführt wird, ist es wichtig, dass sie die zugrundeliegende Schmerzquelle des Patienten behandelt wird. Die chirurgische Behandlung kann Folgendes umfassen:

Genesung

In den meisten Fällen verläuft die Genesung wie folgt:

  • 0-6 Wochen: Ruhigstellung (mittels Gips oder Orthese) ohne den Fuss zu belasten.
  • 6-10 Wochen: Zunehmende Belastung mit einer Knöchel-Fuss Orthese. Physiotherapie zur Förderung von Kraft und Gleichgewicht
  • Komplette Genesung nach 9 Wochen-2 Monaten.
  • Bei einigen Patienten (bei denen die hintere Schienbeinsehne noch intakt und funktionsfähig ist) kann der behandelnde Chirurg eine Teilbelastung in einer Knöchel-Fuss-Orthese zulassen.