Eine Zerrung des M. tibialis anterior (Schienbeinmuskel) ist eine Art der Streckmuskelzerrung, die Schmerzen im vorderen Bereich des Unterschenkels verursacht. Sie kann durch gesteigerte Aktivität (bspw. übermässiges Gehen oder Laufen) aufgrund Bildung wiederholter mikroskopischer Verletzung oder durch eine akute Verletzung auftreten. Konservative Behandlungen sind in der Regel wirksam und beinhalten eine anfängliche Phase reduzierter Muskelaktivität, um die Symptome zu lindern und den Muskel zu schonen. Dies wird von einem Rehabilitationsprogramm gefolgt, das darauf abzielt, die Narbenbildung zu minimieren und die Muskelkraft wiederherzustellen.
Hintergrundinformationen
Eine Streckmuskelzerrung führt zu Schmerzen im Bereich der Tibia-Muskeln – auch bekannt als Extensorenkompartiment (Kompartiment der Streckmuskulatur). Zu den Muskeln in diesem Bereich gehören der M. tibialis anterior, M. extensor hallucis longus (EHL) und der M. extensor digitorum longus (EDL). Eine Zerrung des M. tibialis anterior ist die häufigste Form der Streckmuskelzerrungen. Eine Verletzung eines oder mehrerer dieser Muskeln kann akut sein, was zu sofortigen lokalisierten Schmerzen führt, oder sie kann durch wiederholte Überbeanspruchung/Überbelastung entstehen, was zu mikroskopischen Schäden am Muskelgewebe führt, die sich mit der Zeit zu Schmerzen entwickeln können.
Lokalisation der Schmerzen durch eine Zerrung des M. tibialis anterior oder eine Streckmuskelzerrung
Die Muskeln im Extensorenkompartiment (Abb. 1) bewegen den Fuss nach oben oder lassen ihn langsam nach unten senken, sodass es nicht zu einem Aufschlag des Fusses auf den Boden kommt. Ein Verlust dieser Muskeln resp. ihrer Muskelkraft/-Funktion führt zu einem Fallfuss. Die Funktion dieser Muskeln ist für normales Gehen und Laufen daher unerlässlich. Bei Beanspruchung können wiederholte Muskelkontraktionen können zu mikroskopischen Verletzungen des Muskelgewebes führen, was zu lokalen Beschwerden und möglicher Narbenbildung führen kann, wenn der verletzte Bereich gross genug ist. Diese Art von Streckmuskelzerrung resultiert häufig aus einer signifikanten Zunahme des Aktivitätsniveaus.
Wenn die Aktivität der vorderen Kompartimentsmuskeln erheblich erhöht sind, kann die lokale Muskelverletzung eine Schwellung der Muskeln resp. der Muskelbereiche nach sich ziehen, was zu einem durch Bewegung induzierten Kompartmentsyndrom führen kann. Bei einem Kompartmentsyndrom handelt es sich um einen absoluten Notfall, da es zum Absterben des betroffenen Muskelgewebes führen kann. Glücklicherweise ist dieses Szenario im Vergleich zu einer Streckmuskelzerrung selten.

Symptome einer Zerrung des M. tibialis anterior – Streckmuskelzerrung
Patienten mit einer Zerrung des M. tibialis anterior zeigen oft eine lokale Verletzung der Muskeln des vorderen Unterschenkels nach einer Aktivitätszunahme. Sie geben Schmerzen an, die auf einen Teil der Muskeln im vorderen Unterschenkel lokalisiert sind. Häufig ist der M. tibialis anterior betroffen, der direkt neben dem Schienbein (Tibia) liegt. Durch Palpation (Drücken) dieses Bereiches, kommt es zum Schmerzempfinden., Der Muskel selbst kann härter als ein normaler Muskel sein, oder es kann eine fühlbare Narbenbildung vorhanden sein. Das Heben des Fusses nach oben, insbesondere gegen Widerstand, reproduziert die Schmerzen im Allgemeinen. Gehen bereitet oft Unbehagen und Patienten können ein Hinken entwickeln. Sie bemerken möglicherweise auch, dass ihr Bein schnell ermüdet und, dass sie oft Schmerzen selbst bei geringer Gehbelastung verspüren. Ist bei Anheben des Fusses ein unerträglicher Schmerz spürbar, so muss stets ein Kompartmentsyndrom ausgeschlossen werden muss.
Bildgebende Untersuchungen
Röntgenaufnahmen des Unterschenkels sind unauffällig. Wenn ein MRT des Unterschenkels durchgeführt wird, können lokalisierte Ödeme und Schwellungen im vorderen Extensorenkompartiment festgestellt werden. Darüber hinaus kann Narbengewebe um den verletzten Bereich identifiziert werden.
Behandlung einer Zerrung des M. tibialis anterior
Schmerzen durch eine Streckmuskelzerrung können in der Regel ohne einen operativen Eingriff, also konservativ mit guter Wirksamkeit behandelt werden. Es kann hilfreich sein, die Behandlung in vier Phasen zu unterteilen.
Phase 1
Die erste Phase der Behandlung einer Zerrung des M. tibialis anterior besteht in der akuten Symptombehandlung. Nach einer Verletzung oder dem Auftreten von Symptomen sollte die anfängliche Behandlung darauf abzielen, die Schmerzen und Entzündungen zu lindern. Das Vermeiden der auslösenden Aktivitäten und eine relative Ruhigstellung des betroffenen Beins können hilfreich sein. Kühlung und Hochlagern helfen ebenfalls, die akuten Symptome zu lindern. Für einige Patienten können Gehstöcke (Krücken) notwendig sein. Jedoch reicht es für die meisten die allgemeine Muskelaktivität zu reduzieren, um die akuten Beschwerden zu lindern. Kurzfristig können auch entzündungshemmende Medikamente hilfreich sein.
Phase 2
Die zweite Phase der Behandlung beginnt, sobald die akuten Beschwerden abgeklungen sind. Diese Behandlungsphase konzentriert sich darauf, die Muskeln wieder zu aktivieren und den verletzten Bereich zu beruhigen, während die Narbenbildung minimiert wird. Der Fokus in dieser Phase liegt auf sanften Dehnübungen der Muskeln, kombiniert mit lokaler Massage des Muskelgewebes oder des Narbenbereichs. Die volle Aktivität sollte verieden werden und eine Zusammenarbeit mit der Physiotherapie kann in dieser Phase der Genesung hilfreich sein.
Phase 3
Die dritte Phase der Behandlung einer Zerrung des M. tibialis anterior beginnt, wenn die meisten Symptome abgeklungen sind. Der Fokus dieser Phase liegt auf der Wiedererlangung der notwendigen/ursprünglichen Kraft und Ausdauer der betroffenen Muskeln. Zudem wird die lokale Muskel- und Narbenmassage betont, um die Wahrscheinlichkeit chronischer Symptome durch Narbenbildung zu verringern.
Erhaltungsphase
Die letzte Phase der Behandlung ist die Erhaltungsphase. Je nach Schwere der Streckmuskelzerrung kann es Wochen oder sogar Monate dauern, bis diese Phase erreicht ist. Zu diesem Zeitpunkt nimmt der Patient seine regulären Aktivitäten wieder auf, wobei die Erhaltungsphase fortlaufend und regelmäßige Übungen umfassend ist. Die Übungen sollten darauf abzielen, die Muskeln des vorderen Kompartiments gedehnt und gestärkt zu halten. Dies verringert die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Auftretens der Verletzung oder von Symptomen durch Narbenbildung im Extensorenkompartiment.