Zusammenfassung

Krallenzehen können sich bei vielen Menschen mit zunehmendem Alter entwickeln und beim Tragen von engen Schuhen Unbehagen verursachen. Dieser Zustand kann entweder an nur einer oder aber auch an allen der folgenden drei Stellen Beschwerden hervorrufen:

  • auf der Oberseite der Zehen, falls sie gegen den Schuh drücken
  • an der Spitze der Zehen, falls sie gegen die Sohlen der Schuhe drücken
  • an der Basis der Zehen (Metatarsophalangeal (MTP) Gelenke) bei einer Subluxation (die Knochen werden teilweise aus dem Gelenk verschoben)

Darüber hinaus sind Krallenzehen oft mit Vorfussschmerzen (Metatarsalgie) verbunden. Dies weil die MTP Gelenke bei Patienten mit einer ausgeprägten Krallenzehendeformität häufig verschoben werden. Subluxation bezeichnet die Aufwärtsverschiebung der Zehe relativ zum Mittelfusskopf oder zum Fussballen. Infolgedessen stehen die Mittelfussknochen hervor und können dadurch überbeansprucht werden. Patienten die unter dieser Erkrankung leiden, berichten oft, dass es sich so anfühlt, als ob sie auf Glaskugeln gehen würden.

Klinische Präsentation

Krallenzehen sind das Resultat eines Muskelungleichgewichts. Es ist üblich, dass Patienten diese Deformität mit zunehmendem Alter entwickeln. Falls eine familiäre Prädisposition vorhanden ist, tritt die Krankheit gehäuft auf. Die Patienten entwickeln Krallenzehen, wenn die vom Unterschenkel ausgehende lange Muskulatur über die kleineren Muskeln im Fuss dominiert. Dieses Ungleichgewicht führt zu einer Flexion (Beugung) am proximalen Interphalangealgelenk und zu einer Extension (Streckung) am Zehengrundgelenk, wodurch die Krallendeformität entsteht. Diese Deformität kann auch nach einem Trauma auftreten, bei dem eine Sehne verletzt wurde oder nach einem Kompartment-Syndrom, welches die kleinen Muskeln des Fusses betrifft. In der Regel entwickeln sich Krallenzehen, wenn die Wadenmuskulatur verkürzt ist. Dadurch müssen zusätzliche Muskeln, welche die Zehen nach oben ziehen (M. extensor digitorum longus), rekrutiert werden, um genügend Abstand zum Boden zu erreichen, während der nächste Schritt initiiert wird.

Krallenzehen-Deformitäten betreffen normalerweise alle vier kleinen Zehen (Zehen II-V). Es ist nicht ungewöhnlich, das der zweite Zehe die am stärksten ausgeprägte Deformität aufweist. Eine genaue Untersuchung aller vier Zehen zeigt jedoch häufig, dass die Deformität bei jeder Zehe vorhanden ist (siehe Abbildung 1). Die Grosszehe entwickelt sich seltener zu einer Krallenzehe, obwohl dies unter bestimmten Umständen möglich ist (unter anderem bei einer Charcot Marie Tooth Krankheit). Der Begriff „Hammerzehe“ wird oft als Synonym für „Krallenzehen“  verwendet. Der Hauptunterschied zwischen diesen beiden Erkrankungen ist die Position des distalen Interphalangealgelenkes (DIP-Gelenk). Bei Hammerzehen ist dieses Gelenk gestreckt, bei Krallenzehen gebeugt. Allerding können diese beiden Krankheitsbilder oftmals nur schwer voneinander unterschieden werden.

Abbildung 1: Klauenfussdeformität

Abbildung 1: Klauenfussdeformität

Untersuchung

Bei der körperlichen Untersuchung versucht der Arzt, die schmerzempfindlichen Bereiche zu identifizieren. Dies kann Aufschluss über die Ursache der Schmerzen geben. Wenn die Druckempfindlichkeit auf der Oberseite der Zehen liegt und mit einem Kallus (verhärtete, dicke Haut) assoziiert ist, sind die Symptome wahrscheinlich auf eine direkte Druckausübung auf die Oberseite (dorsale Seite) der Zehe zurückzuführen. Falls die Schmerzempfindlichkeit an der Spitze der Zehen besteht, kann dies durch Druck der Schuhsohle auf die Zehenspitze verursacht werden. Zusätzlich ist es wichtig zu beurteilen, ob die Zehen beweglich oder starr sind. Es gilt jedes Gelenk einzeln zu überprüfen, ob es in seine normale Position zurückgeführt werden kann. Neben der allgemeinen Ausrichtung der Zehen ist die Empfindung, die Motorik und die Durchblutung der Zehen von grosser Bedeutung.

Behandlung

Nicht-operative Behandlung

Die meisten Krallenzehen-Deformitäten können konservativ (nicht-operativ) behandelt werden. In der Literatur wird eine Reihe von möglichen Behandlungsansätzen beschrieben. Darunter sind u.a.:

  • Auflegen einer Polsterung auf die betroffenen Stellen. Es gibt zahlreiche kommerziell erhältliche Hilfsmittel, die dazu beitragen können, die Deformität zu reduzieren und die hervorstehenden Bereiche zu polstern oder zu entlasten.
  • Zehenabstandhalter oder Hammerzehenschienen (Abbildung 2). Einige handelsübliche Produkte schienen die Zehen in einer besseren Position. Diese Hilfsmittel bieten zwar nur eine kurzfristige Korrektur der Deformität, aber bei vielen Patienten kann dies die Beschwerden beim Gehen und beim Tragen von Schuhen deutlich lindern.
  • Verwendung einer breiten und tiefen Zehenbox. Beim Tragen eines Schuhs mit mehr Platz im vorderen Bereich können die Patient die Fehlstellung besser ausgleichen und die Beschwerden können sich erheblich verbessern.
  • Eine weiche vorgefertigte Orthese zur Polsterung über dem Zehenbereich kann sich als hilfreich erweisen.
  • Dies v.a. falls die Beschwerden an der Spitze der Zehen auftreten.
  • Kürzen des schmerzhaften Kallus: Falls sich hervorstehende Schwielen entwickelt haben, kann ein regelmässiges Kürzen nützlich sein.
  • Dynamische, intrinsische Muskelübungen. Dies wird als Möglichkeit vorgeschlagen, um das Fortschreiten einer Krallenzehen-Deformität zu bremsen. Übungen, wie beispielsweise der Versuch Taschentücher mit dem Fuss vom Boden aufzunehmen, können die Zehen beweglich halten.

Abbildung 2: Hammerzehenschiene

Abbildung 2: Hammerzehenschiene

Operative Behandlung

Falls die Krallenzehen nicht konservativ behandelt werden können, wird gelegentlich eine Operation empfohlen. Es steht eine Vielzahl von Verfahren zur Verfügung und oftmals wird eine Kombination von unterschiedlichen Verfahren durchgeführt. Weil die Deformität auf einem Muskelungleichgewicht beruht, kann es notwendig sein, dass eine Sehne transferiert oder verlängert werden muss, um eine langfristige Korrektur zu erhalten und die Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs zu minimieren.

Gewöhnliche Verfahren, welche möglicherweise in Kombination durchgeführt werden beinhalten:

  • Begradigung der Zehe (Proximale Interphalangeale (PIP) Gelenkresektion). Wenn eine starre Fehlstellung am PIP-Gelenk (der erste „Knöchel“ der Zehe ) vorhanden ist, kann dieses Gelenk entfernt oder in eine gerade Position repositioniert und dann fixiert werden (oft mittels eines Drahtes durch die Zehe). Dieses Gelenk mag zwar nicht knöchern verheilen, aber sogar eine fibröse Verwachsung (Narbengewebe) in einer geraden Position ist wirksam.
  • Da sich das MTP-Gelenk nach oben biegt, wird der obere Teil der Gelenkkapsel (Weichteilgewebe) sehr steif und kontrahiert. Oftmals ist es notwendig, diese Kontraktur zu lösen, damit das Gelenk in die Neutralposition zurückfallen kann. Die MTP-Verbindung wird mit einem temporären Draht in der neuen „geraden“ Position stabilisiert.
  • Verlängerung der Streckersehnen. Häufig sind die Sehnen, welche die Zehen nach oben ziehen (lange Strecksehne des M. extensor digitorum longus), kontrahiert und verkürzt.
  • Beuge- zu Strecksehnen Transfer (Girdlestone-Taylor Verfahren). Bei diesem Verfahren wird eine der Sehnen, welche die Zehen nach unten ziehen (M. flexor digitorum longus) an der Spitze der Zehe (distal) gelöst und an die Oberseite der Zehe transferiert (dorsal Seite der phalanx proximalis). Dieses Verfahren versucht, die Kräfte welche zu einer Krallenbildung der Zehen führen, in Kräfte umzuwandeln, welche dabei helfen die Deformität zu korrigieren. Die Korrektur der Zehen ist einigermassen vorhersehbar, jedoch ist die Operation etwas aufwändiger als einige der anderen Verfahren.

Heilung

Es ist wichtig zu verstehen, dass die Genesung nach jeder Zehenoperation oft länger dauert, als die Patienten es erwarten würden. Während des Heilungsprozesses, kommt es zu einer erhöhten Durchblutung der beteiligten Zehen, was zu Schwellungen und Schmerzen führt. Diese Beschwerden können mehrere Wochen oder sogar Monate anhalten. Es ist nicht ungewöhnlich, dass auch noch 4-6 Monate nach der Operation, die Zehen steif oder geschwollen sind. Patienten sollten darauf vorbereitet sein, dass Sie ihre Aktivitäten über einen längeren Zeitraum einschränken müssen.

Mögliche Komplikationen

Allgemeine Komplikationen

Es können die üblichen allgemeinen postoperativen Komplikationen bei einer Krallenzehenkorrektur auftreten. Dazu gehört:

  • Wundheilungsstörungen
  • Infektionen
  • Pseudoarthrose („non-union“) – falls das PIP-Gelenk fusioniert wird
  • Lokale Verletzung der Nerven, welche die Zehenspitzen sensibel innervieren
  • Tiefe Venenthrombose (TVT) – sehr unwahrscheinlich
  • Lungenembolie (LE) – sehr unwahrscheinlich

Spezifische Komplikationen

Zu den spezifischen Komplikationen der Krallenzehenkorrektur gehören:

  • Fehlheilung (malunion): Es ist üblich, dass die Zehe in einer nicht ganz geraden Position heilt. Geringfügige Deformitäten sind meist nur ein kosmetisches Problem, weshalb die meisten Chirurgen von einer weiteren Zehenoperation abraten. In schweren Fällen kann die Zehe deutlich falsch ausgerichtet sein. Dabei können ab einem gewissen Schweregrad weitere Operationen erforderlich sein.
  • Wiederauftreten der Deformität: Weitere Komplikationen sind das Scheitern der vollständigen Korrektur der Krallenzehen-Deformität oder das Risiko eines erneuten Auftretens der Fehlstellung im Laufe der Zeit.
  • Verlust der Blutversorgung der Zehenspitzen: Die Blutversorgung der Zehenspitzen kann spärlich sein. Es sind zwei kleine Arterien (eine auf je einer Seite der Zehe) vorhanden, welche die Zehenspitze mit Blut versorgen. Es kommt nicht selten vor, dass eines dieser Gefässe fehlt. Wenn die Zehenspitze nicht mehr durchblutet wird, stirbt das Gewebe ab und es kann notwendig sein, einen Teil oder sogar die gesamte Zehe zu amputieren.
  • Versteifung: Es ist nicht möglich, die Krallenzehen gerade auszurichten und die beteiligten Gelenke trotzdem noch normal bewegen zu können. Ein gutes Ergebnis ist eine steife, gerade Zehe mit korrekt ausgerichteten Gelenken.