Zusammenfassung

Charcot-Marie-Tooth (CMT) ist eine häufige Krankheit, welche einen Fuss mit hohem Rist (Hohlfuss) nach sich zieht. (Abb. 1). Sie wurde unabhängig voneinander von Jean-Marie Charcot, Pierre Marie, und Howard Henry Tooth 1886 beschrieben. Die Krankheit ist auch unter dem Begriff hereditäre (erbliche) sensomotorische Neuropathie (HSMN) oder als peroneale Muskelatrophie bekannt. CMT ist mit einer Schwäche der Muskeln der unteren Extremität verbunden. Sie wird durch eine Veränderung der Nervenleitung (zu viel Myelin in der Nervenscheide) ausgelöst. CMT ist üblicherweise vererbt und deshalb ist eine positive Familienanamnese häufig- obwohl bis zu einem Viertel der Fälle spontan auftreten können. Die Fussdeformitäten und Symptome, welche bei CMT beschrieben werden, sind typischerweise progressiv. Sie tendieren zur Verschlechterung. Die Geschwindigkeit der Verschlechterung variiert jedoch stark. Gewisse Patienten sind ihr ganzes Leben nur leicht eingeschränkt (milde Fälle) während andere relativ früh lähmende Fuss- (und manchmal Hand-) Symptome entwickeln (schwere Fälle).

Klassischerweise hat der Fersenknochen einen erhöhten Winkel zum Boden und der erste metatarsale Knochen (der Knochen zu welchem der grosse Zeh verbunden ist) zeigt nach unten (Abb. 2).

Klinische Präsentation

Die klinischen Manifestationen der CMT können sehr unterschiedlich sein. Die häufigsten Beschwerden sind jene, welche durch das hohe Rist, die lockeren Knöcheln und die Muskelschwäche ausgelöst werden. Diese Beschwerden beinhalten die Neigung folgendes zu erleiden:

  • Wiederkehrende Knöchelverstauchungen
  • Knöchelinstabilität
  • Jones Fraktur des 5. Metatarsale
  • Peroneale Tendonitis
  • Sesamoiditis
  • Fallfuss (eher in schweren Fallen)
  • Arthrose des oberen Sprunggelenkes (später im Leben)
  • Hohlfuss

Nicht selten treten Krallenzehen (der grosse Zehe inbegriffen) bei Patienten mit CMT auf.

Körperliche Untersuchung

Das Testen der Muskeln kann eine Muskelschwäche zum Vorschein bringen. Gewöhnlich ist die Fähigkeit, den Fuss nach innen zu bringen (Inversion) stärker als um den Fuss nach aussen zu bewegen (Eversion). Auch ist die Fähigkeit, den Fuss nach unten zu drücken (Plantarflexion) stärker als um den Fuss nach oben zu heben (Dorsiflexion).

Es gibt eine klassische Kombination aus Muskelimbalancen, welche zu den typischen Charcot-Marie-Tooth Fussdeformitäten führt. Diese vier Muskelimbalancen beinhalten:

  1. Der Peroneus brevis ist schwächer als der Tibialis posterior Muskel.
    Was zu einem verstärkten Einwärtsziehen des Fusses führt (Inversion)
  2. Der Tibialis anterior  ist schwächer als der Peroneus longus Muskel.
    Dies bewirkt ein hohes Rist indem der Vorfuss hinuntergezogen wird.
  3. Die intrinsischen Fussmuskeln
    (die kleinen Muskeln in der Fusssohle, welche bei der Bewegung der Zehen helfen) sind schwächer als die extrinsischen Muskeln (die grösseren Muskeln im Unterschenkel, welche den Knöchel passieren und bei der Bewegung der Zehen helfen). Diese Imbalance führt zur Krallenstellung der Zehen, der grosse Zehen inbegriffen.
  4. Die anterioren Kompartimentmuskeln
    (die Muskeln an der Vorderseite des Schienbeins oder Wadenbeins) sind schwächer als die Wadenmuskeln. Dies kann einen Fallfuss verursachen.

Die Hautempfindung (Hautsensibilität) kann in schwereren Fällen beeinträchtigt sein.

Abbildung 2: Der ungehinderte Zug des peroneus longus verursacht die klassische Charcot-Marie-Tooth-Deformität. Indem der Vorfuss nach unten gezogen wird, entsteht ein hohes Fussgewölbe.

Bildgebung

Klassischerweise hat der Fersenknochen einen erhöhten Winkel zum Boden und der erste metatarsale Knochen (der Knochen zu welchem der grosse Zeh verbunden ist) zeigt nach unten (Abb. 3).

Behandlung

Die Behandlung der CMT ist auf die Symptome fokussiert, welche durch die Deformität entstehen. Bis heute gibt es noch keine Behandlung, welche das ursächliche Nervenproblem therapieren kann.

Konservative Behandlung

Die konservative (nicht-operative) Behandlung zielt auf die Verbesserung der Fussdeformitäten, den Erhalt der Muskelkraft, das Verhindern von Knöchelverstauchungen und die Symptomkontrolle ab. Die Behandlung beinhaltet meist:

  • Knöchelschiene:
    das kann eine effektive Schiene sein um das obere Sprunggelenk stabil zu halten und somit die Knöchelsymptome bei Patienten mit milder bis moderater Form zu verbessern.
  • Fuss-Sprunggelenks-Orthese:
    dies kann zur Symptomminderung bei Patienten mit ausgeprägteren Deformitäten oder Rückfussarthrose gebraucht werden indem der Fuss unterstützt und stabil gehalten wird.
  • Schuheinlage:
    eine Schuheinlage mit einem tiefen Punkt unter dem grossen Zehen und/oder erhöhten Region unter der Fersenaussenseite und unter dem Mittelfuss kann bei der Positionierung des Fusses bei Patienten mit stetiger Flexibilität helfen.
  • Körperliche Therapie:
    die körperliche Therapie verbessert die Muskelkraft und die Propriozeption (die Fähigkeit unseres Hirns zu wissen in welcher Position unsere Knöchel sich befinden) schützt vor möglichen weiteren Knöchelverstauchungen und verbessert die gesamte Funktion.
  • Anti-entzündliche Medikamente (NSAR): NSAR können die Schmerzen mindern und die gesamte Funktion bei Patienten mit Tendonitis (Sehnenentzündung) oder Arthritis Symptomen verbessern.

Operative Therapie

Eine Operation wird meist durchgeführt um die Fussdeformität zu korrigieren. Es ist wichtig zu wissen, dass die Deformitäten aufgrund der Muskelimbalancen auftreten, weshalb ein Sehnentransfer (und deren Muskeln) allenfalls notwendig sind um die Balance zurück zu erlangen. Operationen bei Charcot-Marie-Tooth Deformitäten müssen für jeden Patienten individualisiert werden, basierend auf ihren Verformunen, ihrer Muskelfunktion und ihrem Alter. Häufig ist eine Kombination mehrerer Prozeduren nötig und diese werden oft gleichzeitig vollzogen. Operative Techniken bei Charcot-Marie-Tooth Fussdeformitäten beinhalten:

  • Peroneus longus zu Peroneus brevis Sehnentransfer
  • Lösen des Bandes auf der Innenseite des oberen Sprunggelenkes
  • Lösen der Plantarfaszie
  • Verlängerung der Achillessehne
  • Positionierung des ersten metatarsalen Knochen (Dorsiflexions-Osteotomie des ersten Metatarsale)
  • Schneiden des Fersenknochens und Verschiebung zur Aussenseite (Lateralisierende Calcaneus-Osteotomie)
  • Korrektur der Krallenzehen
  • Jones Technik zur Korrektur des grossen Zehen in Krallenstellung
  • Debridement (Ausschälung und Reinigung) oder Reparatur der Peronealsehne
  • Stabilisation der Aussenbänder des oberen Sprunggelenkes
  • Korrektur des Fallfusses (Tibialis posterior Transfer zum dorsalen Fuss)
  • Knöcheldebridement
  • Knöchelversteifung